Nentershausen. Die Wahl der Hochzeitslocation übt einen entscheidenden Einfluß auf die Hochzeitsfeier aus. Sie gibt einen Rahmen vor und unterstützt den Stil der Feier. Eine mittelalterliche Hochzeit ist eben nur in einem historischen Gebäude, wie einem Rittergut, einem Schloß oder, wie im nachfolgend beschriebenen Fall, einer Burg umsetzbar.
Ich hatte das Glück, als DJ für Hersfeld-Rotenburg von einem Brautpaar aus dem südhessischen Pfungstadt nicht nur angefragt, sondern auch gebucht zu werden und war umso mehr begeistert, als ich erfuhr, das es sich eben um eine mittelalterliche Hochzeit handeln würde. Vor einiger Zeit hatte ich eine solche bereits auf dem Rittergut Positz im Saale-Orla-Kreis erlebt und war schwer begeistert.
Zum Vorgespräch hatten wir uns auf der Tannenburg in Nentershausen getroffen und gemeinsam die Räumlichkeiten angeschaut. Dabei kam dann heraus, das ich sogar die Trauung der beiden musikalisch begleiten würde und, wenn auch aus der Ferne, Fotos von der Zeremonie machen könnte. Als begeisterter Fotograf freute ich mich auf die Gelegenheit, weitere Erfahrungen in Sachen Hochzeitsfotografie zu sammeln.
Es bedeutete aber auch, das ich am Veranstaltungstag sehr zeitig in den Raum Hersfeld-Rotenburg aufbrechen mußte, denn zumindest mein Tonequipment sollte sich bereits zu 13.30 Uhr im Rittersaal der Burg befinden. Zu diesem Zeitpunkt sollte die Hochzeitsgesellschaft in authentischer Umgebung vom Torwächter empfangen werden. Eine moderne DJ-Ausrüstung (wenn auch verpackt) gehörte im Mittelalter wohl nur in Behausungen von Zeitreisenden zur Grundausstattung . . .
So schön die Rittersäle sind, wer einen gesehen hat, weiß, sie haben eine Eigenheit, die man als Dienstleister und Discjockey nicht so sehr schätzt – sie befinden sich (fast) nie Parterre sondern mindestens im 1. Stock, in diesem Fall sogar in der dritten Etage. Außerdem galt es Boxen, Kabel, Controller und Licht gute 50 Meter über den Burghof zu bugsieren, der selbstverständlich gepflastert ist und einer Buckelpiste gleicht. Was tut man nicht alles für die liebe Kunst und bitte nicht falsch verstehen, das hat auch alles seine Richtigkeit.
Die anschließenden 42 Stufen haben sich in mein Kreuzgedächtnis eingebrannt. Ich war sehr froh, bereits vor einiger Zeit das Gewicht meiner Anlage um die Hälfte reduziert zu haben. Es gibt zwar vor Ort einen Speisenaufzug, in den paßten die meisten meiner Behältnisse aber nicht hinein, so das ich alles eigenhändig auf Schusters Rappen nach oben schleppte.
Hinzu kam noch, das der Reisebus mit den Hochzeitsgästen eher, als geplant, eintraf und ich mein Auto noch in aller Eile vom Burgtor entfernen mußte. Ich fuhr es schnell den kleinen Burgberg hinab, überholte dann die anrückende Gästeschar wieder bergauf im Laufschritt und schaffte es gerade rechtzeitig zurück in die Tannenburg, bevor der Wächter das Tor dicht machte und seine Spielchen mit den Ankömmlingen trieb, in dem er Ihnen unterstellte, sie wären Landstreicher und wollten die Burg ausrauben.
Das gab mir die Gelegenheit die Soundanlage im Rittersaal zu positionieren und ich hatte dann sogar noch die Zeit, einige Fotos vom, für die Trauung geschmückten, Saal zu machen.
Braut und Bräutigam waren übrigens zu dieser Zeit mit der Hochzeitsfotografin für das Shooting rund um das Burggelände unterwegs.
Gegen 14 Uhr begaben sich dann alle Gäste in den Rittersaal, dessen Pfeiler mit Stroh-Efeugirlanden dekoriert waren, dazwischen befanden sich mehrere Stuhlreihen, zwischen denen ein Gang zum Traualtar verlief.
Die Burg verfügt über eine schmucke, kleine Kapelle.
Vor dieser Kapelle stand ein Tisch, an dem die Standesbeamtin, die Heiratswilligen und die Trauzeugen Platz nehmen sollten.
Es verging noch eine halbe Stunde, bis das Brautpaar zur gewünschten Einzugmelodie zum Traualtar schritt. Selbstverständlich hatten sich alle Anwesenden dafür erhoben.
Dann begrüßte die Standesbeamtin die Brautleute und vollzog die feierliche Trauung.
Da meine Auftraggeber eine professionelle Fotografin engagiert hatten, hielt ich mich diskret im Hintergrund und machte nur wenige Bilder, ohne den Blitz zu benutzen. Ich wollte auf keinen Fall stören.
Ein paar ganz gute Fotos gelangen mir, glaube ich, trotzdem, so zum Beispiel vom ersten Kuss des frischverheirateten Ehepaares.
Als Mann und Frau gingen die beiden dann durch das Spalier Ihrer Gäste und begaben sich in den Innenhof der Tannenburg.
Hier gab es nun einen Empfang mit Met, Sekt und Cassis. Dazu gab es ofenfrische Rahmflecken mit Sauerrahm und Kaas überbacken, zubereitet im Lehmofen des mittelalterlichen Backhauses. Außerdem wurde bei dieser Gelegenheit gleich das Gruppenfoto geschossen. Dann verabschiedete sich die Hochzeitsfotografin.
Anschließend begab sich die gesamte Gesellschaft in das Wirtshaus im Erdgeschoss, die Hochzeitstorte wurde angeschnitten und Kaffee und Kuchen gereicht. Hier war ich aber nicht dabei, denn zu diesem Zeitpunkt war ich damit beschäftigt, meine Anlage um das Licht zu ergänzen und für den Tanzabend im Rittersaal umzubauen.
Durch einen zufälligen Blick aus dem Fenster bekam ich dabei gerade noch mit, das eine Aktion für das Brautpaar gestartet werden sollte, eilte mit meiner Kamera hinter den Gästen her und erreichte gerade noch rechtzeitig die Burgterrasse. Von hier aus wurden, mit Helium gefüllte, rote Ballons gen Himmel geschickt.
Danach begab ich mich auf einen fotografischen Streifzug durch das Burggelände.
Es gab viele kleine und große Dinge zu entdecken . . .
. . . auch deshalb, weil die Tannenburg noch nicht komplett restauriert ist, sondern Stück für Stück und mit Liebe zum Detail, wieder hergerichtet wird.
Immerhin soll hier einer der Gebrüder Grimm zu Gast gewesen sein und der Freiherr von Knigge ehelichte ebenfalls auf der Burg im Landkreis Hersfeld-Rotenburg.
Aber es ist durchaus schon möglich, Souvenirs zu ersteigern und zwar im Burgladen.
Die Hochzeitsgesellschaft war unterdessen mit den beiden Frischvermählten zu einer Burgführung aufgebrochen, die sie unter anderem einmal rund um das imposante Bauwerk führte.
Inzwischen war der Rittersaal umgebaut worden, die Stuhlreihen der Trauung waren verschwunden und dafür eine große Tafel inmitten des Saales platziert, die, dem feierlichen Rahmen entsprechend, eingedeckt war.
Zurück von der Führung, gegen 19 Uhr, hielten die Gäste Einzug in den Rittersaal und als alle an der langen Tafel Platz genommen hatten, folgte die Rede des Bräutigams.
Derweil waren auch die Spielleute von “Musica Vulgaris” eingetroffen, diese sollten das Festmahl mit mittelalterlichen Klängen untermalen und hatten dafür solch illustre Instrumentarien wie Sackpfeifen, Flöten, Schalmei, Laute, Cister, Drehleier, Harfe, Trumscheit und Trommel dabei.
Doch zunächst wurden die Gäste durch den Herold (der dem Torwächter und dem Burgführer zum Verwechseln ähnlich sah) vermahnt . . .
und die Reihefolge der Speisen verkündet.
Darüberhinaus mußte noch ein Vorkoster ernannt werden, der sich im Bruder des Bräutigams fand und mit einer entsprechenden, blauen Kopfbedeckung gekennzeichnet wurde.
Dann wurde die “Tannenberger Hochzeitsuppe”, eine klare Gemüsebrühe mit hausgemachten Teigtaschen, Kräuterklößchen und Streifen von Eierkuchen, serviert.
Dazu spielten die Musiker auf und bewegten sich mit ihren Instrumenten durch den Raum. Nach einer Viertelstunde machten sie jeweils eine kleine Pause, in der ich für die mittelalterliche “Löffelmusik” zuständig war. Durch meinen bereits erwähnten Einsatz als DJ Jena habe ich da einiges in dieser Richtung im Repertoire.
Es folgte der Hauptgang und dafür wurden Platten, gefüllt mit Hähnchenbrust “Normannische Art”, frischer Bratwurst von der wilden Sau und Rotweinbraten vom zahmen Schweyn mit Honig-Kräuterkruste, aufgetragen. Die Gäste langten kräftig zu und auch ich bekam meinen Teil.
Abschließend wurde das leckere Dessert von den passend gekleideten “Mägden” serviert. Es gab Halbgeforenes von Waldhonig und Sahne an Erdbeerragout mit Minze, natürlich stilecht in Burgform.
Die Musiker spielte noch ein letztes Mal auf und wurden mit großem Applaus verabschiedet, ich fand es auch richtig Klasse und kann “Musica Vulgaris” für mittelalterliche Feste nur empfehlen.
Dann war es aber doch an der Zeit, ins elektronische Zeitalter zurückzukehren, denn der Hochzeitstanz sollte folgen und mein aktiver Einsatz als Hochzeitsdj begann.
Ausgesucht hatten sich die beiden Brautleute dafür den Song “Ohne Dich (schlaf ich heut Nacht nicht ein)” von der Münchener Freiheit.
Die Gäste hatte ich gebeten, einen Kreis um die Jungvermählten zu bilden und nachdem sie dieser Bitte nachgekommen waren, pusteten einige von Ihnen Seifenblasen auf die Tanzfläche.
Nach dem Ehrentanz konnte ich sofort die Tanzfläche freigeben und spielte auf Wunsch der Brautleute für ihre Tochter “Waka Waka” von Shakira. Die Gäste, aus Burg bei Magdeburg und Merseburg bei Halle (Saale) in Sachsen-Anhalt angereist, schwangen dazu und später zu Schlager und Discofox-Titeln, munter das Tanzbein.
Sehr zeitig, schon eine halbe Stunde nach Tanzbeginn, sollte der Brautstrauß eine neue Besitzerin und damit künftige Braut finden, was auch gelang. Danach sollte das Strumpfband der Braut von den unverheirateten Männern gefangen werden. Doch zunächst ließ ich den Bräutigam, der immer noch sein Jacket trug, dieses zur Musik von Joe Cockers “You can leave your hat on” und unter dem Jubel der Gäste, ausziehen. Dann flog das Band der Herrenrunde entgegen.
Jetzt war es an der Zeit, so richtig Gas zu geben und die Gäste wollten feiern. Partyklassiker, Oldies und Charts verwandelten das mittelalterliche Bauwerk in eine Partyhochburg.
Im Laufe der Nacht gab es nur noch eine Unterbrechung für ein kleines Spiel mit dem Bräutigam, bei dem dieser mit Schutzkleidung ausstaffiert wurde, denn es sollte “Ein Tag im Leben des kleinen Bräutigams” nachgespielt werden.
Gleich danach wurde wieder kräftig getanzt und ich erfüllte eine Menge Musikwünsche von Depeche Mode über Eurythmics bis hin zu Scooter, zu dessen 90er-Hits wie “Hyper, Hyper” der Bräutigam und sein Bruder so richtig abgingen.
Jede Feier, auch die schönste mittelalterliche Hochzeit, hat leider irgendwann ein Ende und so war es auch hier in Nentershausen, als sich ein glückliches Brautpaar bei mir bedankte und fröhliche Gäste in ihre Unterkünfte im Ort gefahren wurden.
Ich für meinen Teil hatte die Arbeit noch nicht ganz beendet. Es galt noch Licht und Ton abzubauen und die 42 Stufen mehrmals zu meistern. Irgendwann war auch das geschafft. Ich verabschiedete mich von den freundlichen Serviceleuten mit einem “bis zum nächsten Mal”. Daraufhin hieß es, die meisten Dj´s kämen, wegen der Aufbau-Umstände, nur einmal auf die Tannenburg. Dem kann ich widersprechen und freue mich auf meine nächste mittelalterliche Hochzeit
Herzlichst
DJ Sebastian